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Wenn ein Mastermind wie Michael Frayn eine pointierte Boulevard-Komödie schreibt, hat der Mann sich mit hundertprozentiger Sicherheit etwas dabei gedacht. Nur jemand, der das Theater durch und durch mit jeder Pore aufgesogen hat, kann so exakt und diffizil beschreiben, wie der theatralische Lauf seinen Wahnsinn nehmen könnte.

Eines der schwierigsten Unterfangen ist es dann, so ein Meisterstück auf die Bühne zu bringen. Das Theater in der Josefstadt hat dies in den Kammerspielen versucht und in Frayn seinen Meister gefunden.
In „Der nackte Wahnsinn“ wird die Geschichte einer Schauspieltruppe erzählt, die sich in den Endproben einer Kömödie, im Originaltitel „Noises Off“, befindet.
Der Eiserne ist geschlossen und man sieht darauf den Abdruck eines Broadway-Plakates mit den wichtigsten Figuren des Stückes (Bühne Stephan Dietrich). Die realen Abbilder der Akteure und die bunten Farben lassen einiges erhoffen, das den ganzen Abend, bis auf den Schluss, nicht erfüllt wird! Der Eiserne hebt sich und Dotty Otley (souverän Ulli Maier) betritt die Bühne.
Warum die Rolle der Otley in dem „Stück im Stück“ einen polnischen Akzent haben muss, weiß niemand. Der Regisseur Lloyd Dallas (Michael von Au/Peter Scholz) gibt Anweisungen von der ersten Rangloge aus, was die gute Mrs. Clackett alias Dotty Otley alias Ulli Maier mit dem Hauptrequisit der Handlung, den Sardinen, anstellen soll.
Auftritt Roger Tramplemain/Garry Lejeune (Alexander Pschill) mit seiner Geliebten Vicki/Brooke Ashton (Alma Hasun), die sich auf ein kleines Tete-à-Tete, geheimerweise, in dem Anwesen treffen. Dazu kommt das Ehepaar Brent, Flavia (Ruth Brauer-Kvam) und Philip (Oliver Huether), die rechtmäßigen Besitzer der Liegenschaft, um dort Ruhe vor ihren Steuerproblemen zu finden. Eine typische Boulevard – „Tür auf/Tür zu“-Komödie könnte der verzweifelte Regisseur auf die Beine stellen, wären da nicht die Eigenheiten, Eitelkeiten und Engstirnigkeiten der Schauspieler. Genial geschrieben, aber leider nur mäßig umgesetzt!
Die Kunst, Boulevard zu spielen, liegt in der Wahrhaftigkeit. Nur durch ernsthaft dargestellte Bedürfnisse und Gefühle entsteht eine reale Komik.
Alexander Pschill schafft es nur mit wenigen Sätzen, Authentizität auf die Bühne zu bringen, und lässt mit einer manierierten Rollengestaltung die Figur des Garry Lejeune alias Roger Tramplemain in der Belanglosigkeit versinken.
Der Regisseur Dallas (Ersatzbesetzung Peter Scholz) verzweifelt, stellvertretend für den versierten Zuseher, mit dem bezeichnenden Zitat: „Und Gott sah, dass es furchtbar war!“
Auf der anderen Seite schaffen Ruth Brauer-Kvam und Oliver Huether als Ehepaar Brent den feinen Bruch zwischen realem Spiel und boulevardesker Generalprobe des „Stücks im Stück“. Auch eine Alma Hasun als Vicki/Brooke Ashton wechselt gekonnt zwischen den beiden Welten.
Heribert Sasse als alternder und nicht minder durch Alkohol beeinträchtigter Schauspieler Selsdon Mowbray kann mit einer herrlichen Natürlichkeit überzeugen, aber den Abend im Alleingang dann doch nicht retten. Wahre Lichtblicke sind Eva Mayer (Poppy, die Regieassistentin) und Martin Niedermair (Tim Allgood, der Inspizient), die mit Wahrhaftigkeit und natürlichen Tönen die Tristesse dieser Produktion sprengen. Nach der Pause befinden wir uns auf der Hinterbühne während einer der ersten Aufführungen von „Noises Off“.
Hier sollte sich klar der Unterschied zwischen dem Schauspieler als Mensch und seinem Tun auf der Bühne herauskristallisieren und gleichzeitig die Schwierigkeit einer Trennung von Beruf und Leben zeigen. Dachte sich der Autor Michael Frayn.
Bei dieser Aufführung an den Kammerspielen mangelt es leider an den Grundessenzen für so ein Gelingen: Timing, zwischen den Ebenen springen und Darstellung des realen Lebens mit all seinen Problemen, die dieses mit sich bringt.
In diesem zweiten Akt ist man über jede gelungene Slapstick-Einlage glücklich. Erfischende Whiskey-Flaschen-Rochade, verwirrte Zeitansagen vom Inspizientenpult oder verschlafene Auftritte.

© Erich Reismann

Der viel zu laute Satz von Poppy (Eva Mayer) ihrem Regisseur gegenüber – „Ich bin schwanger“  ist auf den Punkt gebracht, lässt das Ensemble durch sämtliche Türen auf die Hinterbühne schauen und auf ein rettendes Finale hoffen.
Dieses wird von einer pointierten und herrlich komischen Ansage des Inspizienten (Martin Niedermair) eingeleitet. Einer der Höhepunkte des Abends. „Noises Off“, das „Stück im Stück“, läuft und nichts funktioniert. So soll es auch sein.
Andererseits schafft es jetzt das Ensemble unter der Regie von Folke Braband, immer wieder genau auf den Punkt zu spielen, ein Feuerwerk an Slapstick-Einlagen zu liefern und den Abend in einem witzigen und fulminanten Finale enden zu lassen.

An dieser Produktion sieht man, wie schwer es ist, eine bis in das letzte Wort genau durchdachte Boulevardkomödie realistisch in Szene zu setzen. Eine feine Gradwanderung zwischen Klamauk und herzerreichender Komik.
Genau das gelingt Folker Braband und seinem Ensemble im 3. und letzten Akt dieser Produktion an den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt.

Regie
Folke Braband

Bühnenbild und Kostüme
Stephan Dietrich

Übersetzung
Ursula Lyn

Dotty Otley als Mrs. Clackett
Ulli Maier

Garry Lejeune als Roger Tramplemain
Alexander Pschill

Brooke Ashton als Vicki
Alma Hasun

Frederick Fellowes als Philip Brent/Scheich
Oliver Huether

Belinda Blair als Flavia Brent
Ruth Brauer-Kvam

Selsdon Mowbray als Einbrecher
Heribert Sasse

Lloyd Dallas, Regisseur
Michael von Au
Peter Scholz

Poppy Norton-Taylor, Regieassistentin
Eva Mayer

Tim Allgood, Inspizient
Martin Niedermair

Vorstellungen :
2./18./19./20./23./28. November um 20:00 Uhr
22. und 29. November um 15:00 Uhr und um 20:00 Uhr

www.josefstadt.org

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