Familiäre Schieflage bei „DIE WILDENTE“
Henrik Ibsens „Wildente“ feierte nach 15 Jahren mit einer ergreifenden Inszenierung von Mateja Koležnik erneut Premiere im Theater in der Josefstadt. Diesmal spielte Gerti Drassl nicht mehr das Kind Hedvig, sondern deren emotional erkaltete Mutter Gina Ekdal, die am Ende doch noch mit ihrem Lügengebäude zusammenstürzt. Die Highlights des Abends waren unbestritten Maresi Riegner und Gerti Drassl.
Nach Applaus war mir nicht zumute, als der Eiserne Vorhang sich langsam zum Schlussapplaus senkte und im Sekundentakt die letzten, ergreifenden Bilder auf eine zutiefst verzweifelte Mutter freigaben. Jedoch nicht, weil mir die Inszenierung nicht gefallen hätte. Vielmehr war es zutiefst erschütternd, Gerti Drassl dabei zuzusehen, wie deren Verzweiflung und Zusammenbruch über den Tod ihres Kindes von einer derartigen Wahrheit, ja Wahrhaftigkeit gespielt wurde.
Was zu den bekanntesten Stücken der skandinavischen Dramatik gehört, nämlich Henrik Ibsens „Wildente“, wurde nun erneut auf die Bühne des Theaters in der Josefstadt gebracht. Regie führte die Slowenin Mateja Koležnik, die den bekannten 5-Akter auf knappe und wesentliche 80 Minuten gekürzt hat und so nur einen kleinen Einblick in die Schieflage einer Familie mit einem Netz aus Lebenslügen bietet. Und das nicht nur aufgrund des schiefen Bühnenbildes (in Form einer schmucklosen Treppe) von Raimund Orfeo Voigt, der leider nicht an die Sichteinschränkung der Zuschauer rechts außen sowie der teils schlechten Akustik gedacht hat, die daraus entstehen. Kostümbildner Alan Hranitelj wählte- wohl etwas angelehnt an Henning Mankell´s Wallander-Filmreihe, augenscheinlich skandinavisch graublaue Mittelstandskostüme. Die Perücken der Darsteller standen aufgrund ihrer Unwirklichkeit für mich dann doch etwas zu sehr im Vordergrund und regten mehr zu einer Art Ratespiel an, wer denn nun welcher Schauspieler sei.
Schauspielerisch herausgestochen ist an diesem Abend eindeutig die junge Maresi Riegner, mit ihrer Verkörperung als Drassl´s/Gina´s Tochter Hedvig Ekdal. Ein Kind als Opfer familiärer Lebenslügen und Intrigen. Das Kind, welches man noch nicht so ganz als kleine Lolita sehen will, auch wenn sie sich sehr selbstbewusst und spielerisch an der Dachbodenleiter räkelt. Ein Kind, dass stets die Liebe des Vaters sucht, der aber aufgrund seiner eigenen Probleme nur ein schwacher Schatten seiner selbst ist. Arbeitet Hjalmar (Roman Schmelzer) doch mehr schlecht als recht als Fotograf und flüchtet sich viel lieber in seine Dachbodenwelt, wo er von einer Erfindung träumt, die der Familie Ekdal wieder zu Ansehen und Geld verhelfen soll. Die eigentlichen Geschäfte führt jedoch im Grunde seine Frau Gina, die die Familie mit ebenso harter, emotionsloser Manier führt wie sie ihre Stufen schrubbt. Gleich einer Lady Macbeth, die versucht mithilfe ihres Putzwahnes die angehäuften Lebenslügen wegzuwischen.
Hjalmars Jugendfreund, Gregers Werle (Raphael von Bargen), der mit seinem Vater, dem Konsul Werle, gebrochen hat und nunmehr in das Untermietzimmer der Ekdals einzieht, scheint zu erkennen, dass sein alter Freund in ein Netz aus Lügen und Intrigen versponnen sei und will ihm, gut gemeint, die Augen öffnen, ihn mit der bitteren Wahrheit konfrontieren um dadurch Mut für Höheres zu entwickeln, bleibt zuletzt aber doch nur ein eiskalter Wahrheitsfanatiker. „Denn jetzt sehe ich endlich eine Aufgabe vor mir, für die es sich zu leben lohnt“ betont er so überzeugt zu sich selbst und ahnt nicht, welches Unglück er damit heraufbeschwört. Die logische Faktenkette, die sich durch die Handlung zieht: die schlechten Augen und drohende Blindheit der Tochter Hedvig wie auch des Konsuls Werle. Ein allzu deutliches Indiz der Lebenlüge.
Wie immer überzeugend spielte Siegfried Walther den leicht betagten aber dennoch liebenswerten alten Ekdal, der wankend zwischen Oberstübchen und Dachboden hin und her tänzelt. Hat man beizeiten das Gefühl, er könnte von der schiefen Treppe mitten ins Publikum stürzen, schlüpft er kurz darauf mit einer Leichtigkeit in seine Dachbodenscheinwelt, wo er Hasen jagt und für Hedvigs geliebte Wildente sorgt. Spannungsgeladen auch das Aufeinandertreffen von Konsul Werle (Michael König) und seinem rebellierenden Sohn Gregers, welches wohl der Trigger für den schlussendlichen Zusammenbruch der Familie Ekdal zu sein scheint. Dagegen hält Peter Scholz als vom Leben abgebrühter Dr. Relling, auf dessen Lebensweisheiten man eventuell besser hätte hören sollen.
Als das Lügengebäude letztendlich zusammenstürzt, das „Flämmchen der Lebenslüge“ erlischt und sich Hedvig (statt der geliebten Ente) für die Liebe des Vaters opfert, bleibt ein befangenes Schweigen zurück und die Frage, was eine Mutter so alles erdulden kann und muss. Wie auch mir, war den meisten Zusehern im Publikum nach diesem Schlussbild nicht nach Applaus zumute. Erst als gleich darauf eine rührend aufgelöste, tränenüberströmte Gerti Drassl zum Schlussapplaus antrat, brach das Publikum in helle Begeisterung aus und spendete den Akteuren, besonders aber Gerti Drassl und Maresi Riegner, langanhaltenden und bewundernden Applaus. Ein skandinavisches Gefühlskino in Form eines schiefen Kammerspiels, welches aufgrund seiner phantastischen Akteure zum Leben erwacht.
FAZIT: Sehenswert, wenn auch bedrückend.
BESETZUNG
REGIE
Mateja Koleznik
BÜHNENBILD
Raimund Orfeo Voigt
KOSTÜME
Alan Hranitelj
MUSIK
Michael Gumpinger
DRAMATURGIE
Ulrike Zemme
LICHT
Emmerich Steigberger
ÜBERSETZERIN
Alina Zeichen
Großhändler HåKON WERLE : Michael König
GREGERS WERLE, sein Sohn : Raphael von Bargen
DER ALTE EKDAL: Siegfried Walther
HJALMAR EKDAL, sein Sohn, Fotograf: Roman Schmelzer
GINA EKDAL, Hjalmars Frau : Gerti Drassl
HEDVIG, beider Tochter: Maresi Riegner
DR. RELLING, Arzt: Peter Scholz
FRAU SøRBY, Werles Haushälterin: Susa Meyer
THEATER IN DER JOSEFSTADT
WEBSITE: www.josefstadt.org
FACEBOOK: www.facebook.com/TheaterinderJosefstadt
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2×2 Karten für DIE WILDENTE im Theater in der Josefstadt am So, den 21. Mai. 2017 um 19:30 Uhr
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