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Es ist das Jahr 44 vor Christus, die Iden des März stehen kurz bevor. Zumindest im Bronski & Grünberg Theater am Wiener Alsergrund. Ebendort inszenierte Helena Scheuba am vergangenen Freitag – treffend nahe an Caesars historischem Todestag – einen Shakespeare-Klassiker im modernen Gewand.

An der Macht sind hier nicht Lorbeerkranz-geschmückte Macho-Männer sondern grundsolide, starke Frauen – und ein unüblich sympathischer Brutus. Statt „How to get away with murder“ bekommt hier zuletzt jeder und jede seine (gerechte?) Strafe.

„Erneuerer wird man uns nennen und nicht Mörder.“

Kaum ein römischer Staatsmann ist heute noch so berühmt wie Julius Caesar. Er kam, sah, siegte – und bezahlte seinen Machthunger schließlich mit seinem Leben. „Gaius Julius Cäsar“ änderte den bis dahin bestehenden Mondkalender, führte das Schaltjahr ein und bestimmte sogar die Länge der Monate. Bis heute existiert der „julianische“ Kalender. Der wärmste Monat des Jahres, der Juli, ist ebenfalls nach dem großen Feldherren benannt. Dabei herrschte Caesar mit einer Eiseskälte.

Sein Ziel war von Anfang an klar: Der Römer aus reichem Haus strebte nach Macht wie kaum ein anderer, ging über Leichen und baute eines der größten Imperien der Geschichte auf. Er hatte Verbündete wie Feinde. Sein engster Verbündeter, Brutus, wird tragischerweise auch sein Mörder. Denn: Der wortgewandte Brutus (be-stechend gut gespielt von Josef Ellers) und eine Hand voll visionärer Senatoren erkennen die Gefahr bereits im Ansatz und wollen den Diktator zum Wohle Roms ermorden.

Bis hier ist eigentlich alles gleich. Mal abgesehen, dass Caesar eine Frau ist. Und was für eine! Sophie Aujesky mimt das römische Staatsoberhaupt mit einer derart weiblichen Stärke, dass Brutus, der „Verräter“ neben ihr zum Sympathieträger mutiert.

Sie, die erotisch Gekleidete im Zuhälter-Pelz, will das römische Reich unter ihrer Herrschaft umorganisieren und verbessern, lehnt dennoch genügsam die Krone ab. Taktisch clever. Frauenpower rules! Wie anders hätte man die Premiere besser ansetzen können als am internationalen Weltfrauentag.

Doch kurz vorweg: Um all diese Veränderungen überhaupt durchführen zu können, ließ Caesar sich einst zum Diktator auf Lebenszeit ernennen. Im damaligen Rom war das im Grunde gar nicht möglich. Kein Herrscher sollte (und soll!) über so lange Zeit allein über das Reich regieren dürfen. So änderte Caesar einfach kurzerhand das Gesetz. Den Senatoren, allen voran Cassius (Alma Hasun in Hochform!), gefiel das sowas von gar nicht. Für Rom, und nur für Rom, beschließen die Freunde ergo einen mörderischen Pakt.

Es kommt wie es kommen muss: Für den 15. März ist im Kapitol eine stinknormale Senatssitzung geplant. Caesar, gesundheitlich bereits abgeschlagen, will dennoch an der Versammlung teilnehmen. Ihr Mann, Calpurnia (wandelbar: Felix Krasser), bittet sie auf Knien, zu Hause zu bleiben. Im Traum habe er vorausgesehen, dass etwas Schreckliches passieren wird. Caesar, die Powerfrau, hadert erst, lässt sich schließlich doch von ihren Freunden und Vertrauten überreden und erscheint im Senat.

Der Plan geht auf, mit 23 Stichen wird Caesar just von jenen getötet, denen sie am meisten vertraute. Unter den Mördern ist auch der ehrenwerte Brutus. Und wenn es noch so wunderlich erscheinen mag, Brutus ist auch nach diesem „Vatermord“ (denn Caesar liebte ihn wie einen Sohn) noch immer ein ehrenwerter Mann.

Wäre da jetzt nicht auch noch Marc Anton (hier ebenfalls eine Frau, sehr schön und klug gespielt von Franziska Hetzel). Sie weiß mit Worten ebenso weise zu jonglieren wie ihr Widersacher Brutus. Zutiefst getroffen über Caesars unwürdigen Tod reicht sie den Mördern ihrer großen Freundin dennoch die Hand. Nicht, weil sie sich mit ihnen verbünden will. Nein, ihr Plan ist viel perfider. Sie schwört auf Rache. Erst mit klugen Worten, dann erst mit Taten.

Helena Scheuba, die nach „#Werther“ und „Richard III“ bereits zum dritten Mal im Bronski & Grünberg inszeniert, lässt den Figuren genug Freiraum, um die eigene Persönlichkeit in die Rolle einfließen zu lassen. Dadurch entsteht eine Authentizität, die einen erschaudern lässt. Alma Hasun verkörpert Cassius so voller Leidenschaft für die „gute Sache“, dass es vollkommen gleichgültig ist, ob Cassius nun ein Mann ist oder eine Frau. Josef Ellers spielt Brutus, der grob gesehen der schlimmste im Bunde ist, so souverän, dass man in ihm den stillen Helden der Stunde sehen muss. Seine Liebe zu Caesar und seine Liebe zum Volk stehen dabei in keinem Widerspruch.

Es ist nicht Cassius der ihn erst zu dieser grauenvollen Tat überreden muss. Nein, er hätte es auch selbst getan, ganz ohne Mittäter. Dennoch steht ihm der Schmerz über den Tod der Freundin ins Gesicht geschrieben. Die Augen sind tränengefüllt, während die Lippen zufrieden über die geglückte Sache lächeln. Wie Cassius und Co bezahlt auch er zuletzt mit seinem Leben. Gänsehaut garantiert.

Samatha Steppan (gleich in mehreren Rollen) sticht ebenso durch ihr schnelles wie auch tragisch-komisches Spiel hervor. Das Bühnenbild von Niklas Murhammer und Pauline Scheuba ist dezent in den Hintergrund gerückt und mit amüsant bearbeiteten Plakaten dekoriert. Das Spiel steht hier im Vordergrund – und das ist gut so.

Caesars Geschichte und die der „Befreier Roms“ bleibt wohl für immer unvergessen. Zahlreiche Werke der Weltliteratur erzählen davon.  Regisseurin Helena Schauba hat es mit einem perfekt eingespielten Ensemble und ihrer guten Seele, Regieassistentin Raphaela Böck (auch für die Kostüme verantwortlich), erneut geschafft, ein Shakespeare Werk modern, alltagstauglich und auch mit der richtigen Prise Humor zu erzählen. Ganz großes Theater. Bravo!

Unter den Premierengästen waren neben zahlreichen Künstlern (u.a. Josefstadt-Star Christian Nickel) und Künstlereltern auch Kabarettist und Staatskünstler Florian Scheuba (zusammen mit Werner Sobotka), der nach dem stürmischen Applaus wohl mehr als stolz auf seine Tochter war.

Rom. Eine Stadt erzittert in ihren Grundfesten, denn Neid und Machtgier regieren den Senat und Caesar greift nach der absoluten Herrschaft. Doch nicht alle sehen diesem Aufstieg gerne zu, nicht alle leben gern im Schatten einer Gottheit. Es gilt den Kampf anzutreten für das Wohl der Republik und sich einen Platz in der Geschichte zu sichern. Ein Bündnis formt sich, mit dem Ziel dem Land die Freiheit zu schenken. Oder geht es doch nur um das eigene Streben nach Ruhm und Ehre? Wird die Gier nach Macht ihren Preis bezahlen? Nur eines ist sicher: Italien wird brennen und das ganze Reich wird sich erheben im Geist der Rebellion.

PROBENFOTOS:

 

BESETZUNG

Regie & Übersetzung: Helena Scheuba
Regie- & Produktionsassistenz: Raphaela Böck
Bühne: Niklas Murhammer & Pauline Scheuba
Kostüm: Raphaela Böck

mit Sophie Aujesky, Josef Ellers, Alma Hasun, Franziska Hetzel, Felix Krasser, Samantha Steppan

 

BRONSKI & GRÜNBERG
Müllnergasse 2
1090 Wien

WEBSEITE: www.bronski-gruenberg.at
FACEBOOK: www.facebook.com/bronskigruenberg

 

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„JULIUS CAESAR“ am So, 28. April 2019 im Bronski

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