Lenya Story: Standing Ovations in den Kammerspielen
FULMINANTE PREMIERE VON „LENYA STORY“ IN DEN KAMMERSPIELEN
Selten hat man ein derart berührtes und begeistertes Premierenpublikum gesehen, als kürzlich Sona Mac Donald und Tonio Arango die Liebesgeschichte zwischen Lotte Lenya und Kurt Weill in der Uraufführung „Lenya Story“ in den Kammerspielen zum Besten gaben. Regie führte Torsten Fischer.
Die große Brecht Chansonnière und Lebenspartnerin von Kurt Weill mag den meisten Menschen heutzutage als fiese Ex-KGB-Offizierin Rosa Klebb aus dem James Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ in Erinnerung sein. Doch war diese Frau viel mehr als das. So ist sie ungelogen die wohl berühmteste Interpretin des „Brecht-Weill´schen Musiktheaters“. In Wien als Tochter eines alkoholkranken Fiaker-Kutschers geboren und aufgewachsen, zog es die junge Lotte Lenya schon mit 15 Jahren nach Zürich zu ihrer Tante. Dort versuchte sie sich als Ballettänzerin und Schauspielerin, bis es sie schließlich nach Berlin verschlug. Die Frau, die keine Noten lesen konnte, wurde innerhalb weniger Jahre zur umjubelten Sängerin und Ehefrau Kurt Weills, dem sie im Frühling 1924 in Berlin begegnete und zwei Jahre später ehelichte.
1927 trat Lenya in Kurt Weills Singspiel „Mahagonny“ auf und fand bei Publikum und Presse große Anerkennung. Mit „Mahagonny“ begann somit eine erfolgreiche, dennoch schwierige Zusammenarbeit Kurt Weills mit dem Dramatiker Bertolt Brecht. Im August 1928 fand die Premiere zu „Die Dreigroschenoper“ statt, in der Lenya die Rolle der „Jenny“ mit enormem Publikumserfolg sang. Bis heute gilt sie demnach als „größte Sängerin aller Zeiten ohne Stimme“. Die Frau mit der rauhen, „R-rollenden“ Stimme, die keine klassische Schönheit im herkömmlichen Sinne war, wurde dennoch von zahlreichen Männern wegen ihres beinahe vulgären Sex-Appeals verehrt. Ihr Biograph Donald Spoto schrieb in seinem Buch „Lenya. A Life“ sogar über sie, sie sei ein „ungemein erotisches Geschöpf“, gesegnet mit einem Fluidum von „purem, rohem Sex“.
Umso schwieriger gestaltete sich jedoch mit der Zeit das Eheleben zwischen Weill und Lenya, die sich in der Folge beide mehrfach in diverse Liebschaften flüchteten, und dennoch, aller Widerstände zum Trotz, stets auch sehr nahe und verbunden blieben. Als zuletzt dreifache Witwe machte es sich Lenya zur Aufgabe, das musikalische Erbe Kurt Weills weiterzutragen.
Torsten Fischer hat nun diese ergreifende Lebens-und Liebesgeschichte inmitten der Vor-und Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges mit Sona Mac Donald und Tonio Arango auf die Bühne der Kammerspiele gebracht. Das traumhaft stimmungsvolle und sehr schräge Bühnenbild (Herbert Schäfer) erinnert mich kurz an die tragisch schöne Inszenierung der „Kameliendame“ im Theater in der Josefstadt von 2014. Sona Mac Donald macht diese Bühnen-Schräge nichts aus. Sie spielt mit ihr, verschmilzt mit ihr und tänzelt leichtfüßig und gekonnt über das Schrägparkett. Mit einer Stimme, die einem wohlig warme Gänsehaut in den Nacken zaubert. Diese zarte Person gleicht stimmgewaltig beinahe einer Callas. So hört man Lieder wie den „Bilbao Song“ oder „Surabaya Johnny“, natürlich „Mackie Messer“ und auch ein paar gar nicht so bekannte Songs. Für mich derzeit die beste Schauspiel-Sängerin der heimischen Bühnenwelt, gibt Sona Mac Donald tiefste Einblicke in ihr Innerstes und spielt sich die Seele aus dem Leib. Nicht minder berührend verkörpert Tonio Arango ihre große Liebe, Kurt Weill. Arango chanchiert zwischen Tragik und Komik, verwandelt sich mitunter in Bert Brecht, in Lenyas Liebhaber und Zweit-und Drittmänner. Dies schafft er in einer so bezaubernd komischen Art und Weise, dass das Publikum schon während der Vorstellung äußerst regen Zwischenapplaus und fidele Lacher spendete. Die Harmonie zwischen den beiden Akteuren stimmt von Anfang an.
Als dieser schließlich, wie in Lenyas echtem Leben, stirbt und Sona Mac Donald gebrochen und einsam auf der Bühne zurücklässt, fließen im Publikum Tränen. Auch bei mir, und das nicht zu knapp. Kurz bevor ich denke, ich bekomme einen Heulanfall vor lauter Rührung, tritt jedoch Arango als schnittig, attraktiver James Bond auf die Bühne und bekommt von Lenya in so witzig absurder Art und Weise sein Fett ab, dass die Tränen vertrocknen und einem herzhaften Lachen weichen.
Dieses musikalisch hochwertige Bühnenstück bietet alles, was eine erfolgreiche Aufführung braucht. Zwei höchstkarätige Schauspieler/Sänger, die derart authentisch spielen, dass man die beiden niemals auch nur mit einem Gedanken mit den echten Charakteren vergleicht. Eine Musik-Combo (hervorragend musikalisch interpretiert und gespielt von Christian Frank, Herbert Berger, Andy Mayerl und Klaus Pérez-Salado) die so fantastisch spielt, dass kein Fuß im Publikum mehr ruhig bleiben konnte. Zum Schluss gab es einen derart fulminanten Applaus, wie ich ihn in der Josefstadt schon lange nicht mehr erlebt habe. Die Leute spendeten minutenlang Standing Ovations und Sona Mac Donald stand die echte, ehrliche Rührung samt Tränen ins Gesicht geschrieben. Tonio Arango freute sich so ehrlich und charmant, dass das Publikum gar nicht mehr aufhören wollte, zu applaudieren.
Kritisch und ungelogen, wenn auch sehr subjektiv, einer der schönsten Theaterabende seit Jahren. Bei der anschließenden Premierenfeier in den Kammerspielen wurde ausgelassen gefeiert und Sona Mac Donald war über den ganzen Abend von so viel Lob und Anerkennung gerührt. Chapeau! Absolut Sehenswert!
BESETZUNG
SIE: Sona Mac Donald
ER: Tonio Arango
REGIE: Torsten Fischer
BÜHNENBILD: Herbert Schäfer
KOSTÜME: Vasilis Triantafillopoulos
MUSIK/KLAVIER: Christian Frank
DRAMATURGIE: Herbert Schäfer
LICHT: Manfred Grohs
TERMINE
Premiere: 30.3.2017
Do. 06. Apr 2017, 19:30 Uhr
Di. 18. Apr 2017, 19:30 Uhr
Mi. 19. Apr 2017, 19:30 Uhr
Sa. 22. Apr 2017, 19:30 Uhr
So. 23. Apr 2017, 17:00 Uhr
Sa. 29. Apr 2017, 17:00 Uhr
So. 30. Apr 2017, 17:00 Uhr
Mo. 01. Mai 2017, 19:30 Uhr
Di. 02. Mai 2017, 19:30 Uhr
Sa. 06. Mai 2017, 19:30 Uhr
Kammerspiele der Josefstadt
Rotenturmstraße 20
1010 Wien
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