Das kleine aber feine Schubert Theater am Wiener Alsergrund ist mittlerweile ein Geheimtipp für experimentelles und innovatives Theater. Eines der eindrucksvollsten Stücke der letzten Jahre war aber eindeutig ein Stück mit einem Stück Papier in der Hauptrolle.
Vor den Augen des Publikums erweckt Schauspieler und Puppenspieler (Idee & Buch) Richard Panzenböck mit seinen Helfern Almut Schäfer-Koubelka, Angelo Konzett, Andrea Köhler, Michaela Studeny unter der Regie von Simon Meusburger allabendlich auf höchst amüsante Art und Weise Papier zum Leben. Ganzen sechs Metern lebloser Backpapier-Materie (und etwas Klebeband) werden hier Stück für Stück Leben, Emotion und Lebenserfahrung eingehaucht – und es entsteht: der Paperman.
Und dabei braucht es keinerlei Worte oder Sprache. Denn Paperman wird auch so bestens von seinem Publikum verstanden. Egal welchen Alters oder welcher Herkunft. Sein Tun, sein Handeln, seine Art, die Welt zu entdecken geschieht allein durch seine unbeschreiblich ausdrucksstarke Gestik. Unterstützt wird der Prozess lediglich durch Musik und Töne. Die Einzigartigkeit seiner Erschaffung (hier durch Menschenhand) erinnert unweigerlich an den unverwechselbaren Wert jedes einzelnen Lebewesens. Wie jedes Kind seinem Lieblingsstofftier oder seiner Lieblingspuppe Leben einhaucht, baut auch der Zuseher zunehmend Gefühle zu dem tollpatschig-naiven Papiermann auf.
Von seiner Existenz erfährt der kleine Sympathieträger allerdings erst durch einen auf die Bühne projizierten Film. Übernehmen seine „Schöpfer“ Richard Panzenböck und Co hier die Rolle Gottes, mag der aufklärende Film möglicherweise das „Über-Ich“ des anfangs naiven Papiermännchens sein. Es ist das ewige Spiel des Menschen auf der Suche nach seiner eigenen Identität. Denn diese sechs Meter Papier werden in diesem Stück ungelogen zum menschlichen Lebewesen, so unglaublich das auch klingen mag.
Dies kann jedoch erst durch einen Perspektivenwechsel geschehen. Solange man sich rein subjektiv erlebt ist keine objektive (und menschliche) Wahrnehmung möglich. Das unterscheidet uns Menschen wohl am grundlegendsten vom Tier. Wer bin ich, woher komme ich und wohin gehe ich? Und das geschieht hierbei so liebevoll und teils auch auf so tragisch nachvollziehbare Art und Weise, dass man den kleinen Kerl am liebsten mit zu sich nach Hause und adoptieren nehmen möchte. Einfach, weil in 90 Minuten ein paar Meter Papier vermenschlicht werden, so einfach ist das.
Und Paperman bekommt dabei sogar noch einen weiteren Gefährten: den Paper-Dog. Dieser ist ebenfalls so quicklebendig wie ein Hundewelpe in der Großstadt-Hundezone.
Die Puppenspieler selbst bewegen sich dabei so angenehm dezent im Hintergrund, dass man nach spätestens fünf Minuten nur noch den kleinen Mann aus braunem Backpapier wahrnimmt. Fast fühlt man sich wieder wie ein Kind, dass bei der Erschaffung von etwas Bedeutsamen zusehen darf. Ein Urknall der Gefühle und Emotionen. Bühne und Spieler verschmelzen zu einem Gesamtkunstwerk.
Und so muss man dieses Stück auch sehen: Als Gesamtkunstwerk mit großartigen Akteuren, die aus einer Idee etwas Magisches gezaubert haben.
Fazit: Ein spektakulärer Abend für Groß und Klein, für Jung und Alt. Und für Leute, die vielleicht noch immer auf Identitätssuche sind. Ganz großes Kino!
BESETZUNG
SPIELER*INNEN:
Richard Panzenböck, Andrea Köhler, Michaela Studeny, Angelo Konzett, Almut Schäfer Kubelka
REGIE
Simon Meusburger
BUCH & IDEE
Richard Panzenböck
TECHNIK
Sandra Aargoubi, Marie Steiner
BÜHNENBAU
Aufgemoebelt KG, Jacob Schaefer, Jami Vahdani, Anais heininger, Daniel Lind, Gerhard Scheibenreif, Anton Weingart, Andre Harm, Philipp Zangl
SCHUBERT THEATER
Währinger Straße 46
1090 Wien
WEBSEITE: schuberttheater.at
FACEBOOK: facebook.com/schuberttheater
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