SCHiCK im INTERVIEW mit KOOL SAVAS
Der deutsche Ausnahmerapper Kool Savas führte nach kurzer Pause seine Tournee in Wien fort. Ich persönlich kenne Kool Savas‘ Wortakrobatik noch aus den späten 90ern und wollte mir das natürlich nicht entgehen lassen, wenn Savas Abi (türkisch für großer Bruder Savas) in meiner Stadt auftritt und sein neues Mixtape „Essahdamus“ vorstellt.
Auf dem Weg zur Eventarena Vösendorf sprachen wir, eine knapp über 30jährige Freundin und mein bald über 40 Jahre alter Bruder über das Profil der möglichen Konzertbesucher. Da der Star des Abends älter als wir alle war, nahmen wir an, dass zumindest die Hälfte der Besucher über 30 Jahre alt sein würden. Angekommen bei der Halle, merkten wir schon vor dem Eingang, dass wir mit unseren Schätzungen nicht wirklich richtig lagen. Die allermeisten Kool Savas Fans in der Eventarena waren, so mich meine schlechten Augen nicht sehr täuschten, zwischen 20 und 30 Jahren alt. Das störte uns natürlich nicht, weil dadurch die Chance auf gute Stimmung stieg.
Die Vorstellung mit einem der wichtigsten Stars der Szene und einem meiner Jugendidole zu sprechen, brachte etwas Unruhe in meinen Körper und in meine Stimme. Daher rauchte ich auch eine nach der anderen vor dem Backstagebereich, während wir auf die Ankunft des „Kings“ warteten. Als dann Savas mit seiner Crew an uns vorbeikam und sich auf unser Interview vorbereitete, verflog meine Aufregung, sie war der Freude gewichen. Als erstes Medienteam durften wir mit dem Musiker sprechen und das entpuppte sich als von meiner Chefredakteurin gut eingefädelter Vorteil, denn wir konnten etwas überziehen und mussten nicht wie manche anderen Kollegen auf ein kurzes Treffen nach der Show warten.
Es war so weit, der King des Raps war vor mir – es war „essah“ also real und echt, wie seine Musik.
SCHiCK: Savas Abi, Servus und Willkommen in Wien! Darf ich die erste Frage gleich mit Wien beginnen? Was denkst Du über Wien, was verbindest Du mit Wien, welche Erinnerungen hast Du an Wien?
KS: Also ganz wenig ehrlich gesagt. Ich war relativ oft hier und hab ganz wenig erlebt hier. Die Stadt, ja schön und gut, ist ganz in Ordnung, aber es mich bis jetzt noch nicht gepackt, es hat mich nicht berührt. Also es gibt andere Städte wo ich irgendwie eine emotionale Bindung hab, bei Wien kann ich das nicht wirklich behaupten. Es ist jetzt nicht böse gemeint oder so, aber irgendwie hab ich keinen wirklichen Bezug zu Wien gefunden. Außer Falco wüsste ich jetzt nichts was mich wirklich mit Wien oder Österreich so wirklich verbindet. Gibt es leider noch nicht genug.
SCHiCK:: Das ist OK, aber dass Du Wien mit Falco freut uns umso mehr.
KS: JA er war ein großes Vorbild für mich. Ich habe seine Musik echt sehr sehr gefeiert, als Kind schon, als Kind extrem.
SCHiCK:: Ja, weil er einer der ersten deutschsprachigen Sprechsänger war? Er war ja irgendwie der erste deutschsprachige „Rapper“…
KS: Es ging halt viel auch um die Attitude und was er textlich so gemacht hat. „Jeanny“ war lange Zeit einer meiner Lieblingssongs, bis heute gibt es noch Partys wo ich Jeannie lauthals mitsinge. Und auf jeden Fall war er ein großes Vorbild, krasser Typ.
SCHiCK:: Savas, Du hast ja vor über 20 Jahren angefangen mit dem Hip-Hop Geschäft. Wir kennen ja den Hip-Hop von damals und heute. Was denkst Du über die aktuelle Hip-Hop Szene – auch im deutschsprachigen Raum?
KS: Hip-Hop, an sich als Kultur, wird in Deutschland ja so gut wie nicht mehr praktiziert. Das gibt’s ja nicht mehr. Davor war es ja eher Graffiti, Breakdance, „MC-ing“ und „Turntablism„. Die Elemente haben irgendwie zusammen gehört und wurden auch gemeinsam irgendwie praktiziert, in irgendeiner Form. Es wurde erstmal prinzipiell abgelehnt und die Leute fanden das eher peinlich, dass wir da so mit hängenden Hosen herum gelaufen sind und Züge bemalt haben, so komische Bewegungen gemacht haben und ins Mikrofon rumgerappt haben. Dann haben die Leute das Rappen an sich für sich wieder entdeckt. Davor war es zum Beispiel so in Berlin; die Kanaken haben keinen deutschen Rap gehört das war für die „Opfer-Musik“. Und dann sind die Berliner Kanaken und die restlichen Kanaken in ganz Deutschland auf die Idee gekommen, dass das eher eher cool sein könnte. Und dass sie damit irgendwelche Mädels abschleppen können – keine Ahnung was. Jetzt ist es soweit, Rap ist in aller Munde und Rap wird gefeiert, aber der große Unterschied ist natürlich, dass das mit Hip-Hop nicht mehr so krass viel zu tun hat.
SCHiCK:: Dein neues Mixtape, was ja meiner Meinung nach albumähnlich ist, heißt ja „ESSAHDAMUS“. Was hat es mit dem Titel auf sich wieso hast du es so genannt? „Essah“ kennen wir schon, was ist das mit „-damus“? Bist Du schon so alt, dass Du neuerdings prophetisch unterwegs bist?
KS: Ehrlich gesagt ist es ursprünglich aus so einem Twitter-Joke entsprungen. Ich hab irgendwann mal angefangen so einmal die Woche – irgendwie habe ich so getan als ob ich es könnte so den Leuten die Zukunft voraussagen zu können, deswegen habe ich jetzt es auch damals so genannt. Ich hab den halt auch Tipps gegeben ob sie jetzt mit ihren Freundinnen weiter tun sollen oder die Ausbildung abbrechen und Ähnliches. Es gab dann Feedback, die Leute meinten es hat sich bewahrheitet. Ich hab halt immer aus dem Bauch heraus entschieden, dann habe ich mir gedacht, vielleicht hat jeder Mensch irgendwie eine wahrsagerische Fähigkeit, vielleicht muss man das nur für sich wieder entdecken. Als sich soviel von meinen Voraussagungen bewahrheitet hat, dachte ich mir, ich bau das Ganze so auf, aber das ist nicht so wirklich bitterernst gemeint. Kannst du auch Kaffeesudlesen so wie es im türkischen Kulturraum sehr verbreitet ist? Ne, leider kann ich nicht. Ich würde gerne so eine alte türkische Oma treffen, die das kann. Meine Oma ist leider verstorben 2002, die konnte sowas und ich wünschte mir manchmal, dass sie da wäre um das machen zu können. Seitdem haben wir leider niemanden mehr in meiner Familie der sich für sowas interessiert.
SCHiCK:: Dein Cover ist für mich, und ich glaub auch für viele andere interessant. Da ist ein Zugabteil, ein Kind, eine Mutter… Das Ganze spielt sich in der Türkei ab, erkennt man an den Minarette nur Soldaten. Wie bist du auf dieses Cover gekommen?
KS: Das ist so eine Sehnsucht, die sich extrem in mein Bewusstsein hinein gefressen – deswegen. Ich weiß nicht warum, aber diese Szene stellt einen ausschlaggebenden Moment von einer ganz wichtigen Wendung in meinem Leben dar. Alles hinter sich zu lassen – das woran man geglaubt und geliebt hat, die Türkei – seine Heimat und auch einen Teil seiner Familie, weil mein Vater ist ja dageblieben – das war mir wichtig. Genau diese Szene. Das war auch dieser Moment, im Zug hatte meine Mutter mir gesagt dass mein Vater verhaftet worden war. Zum ersten Mal hatte sie es mir da gesagt, ich hatte es schon mitbekommen, aber das war dieser Moment.
SCHiCK:: Du bist ja in Deutschland geboren und dann bist du zurück in die Türkei…
KS: Von meinem 1. bis 6. Lebensjahr habe ich in der Türkei gelebt – fünf Jahre, an meinem sechsten Geburtstag wurde mein Vater verhaftet und eine Woche später sind wir geflüchtet. (Kool Savas´ Vater saß in der Türkei Anfang der 80er Jahre 5 Jahre im Knast, weil er als Verleger tätig war und von der damaligen Regierung und Militärjunta wegen Propaganda für die politische Linke verurteilt wurde. Sein deutsche Mutter flüchtete mit ihm aus Istanbul nach Aachen)
MM: Flucht war für Dich Thema und ist ja auch ein aktuelles Thema, Züge und Bahnhöfe ebenso.
KS: Ja, irgendwie schon. Das hat von der Zeit her ganz gut zum Thema gepasst und auch von daher, wo ich gerade bin und stehe in meinem Leben. Ich will damit nicht sagen, dass sich das Mixtape in irgendeiner Form groß damit beschäftigt, außer im Intro, der dieses Innere auch ein bisschen beschreibt. Aber auch der letzte Song, da habe ich auch ein paar Sachen autobiografisch erzähle.
SCHiCK:: In die Türkei bist das letzte Mal wann gereist? Also bist du noch öfter in der alten Heimat?
KS: Ja, ich glaub letztes Jahr. Aber nie so auf Heimatfilm. Eher Urlaub, voll sinnlos in der Sonne verkacken, in der Clubanlage so wie ein Opfer in der Liege rum hängen und so.
SCHiCK:: Was machst du nach der Tournee? Was hast du in der Pipeline? Schon das nächste Album oder machst du erstmal Urlaub?
KS: Nein nicht Urlaub! Ich hasse Urlaub. Für mich ist Urlaub, wenn ich mit meinem Auto irgendwohin in Deutschland hinfahren kann und mich verkriechen kann. Und „mich verkriechen“ kann in so einem Bauernhaus wo kein Mensch mit mir was zu tun hat. Klassischer Urlaub bedeutet für mich Stress und Hektik. Ich hasse Fliegen und Flugzeuge, bei 35 – 40°C Fliegen um irgendwie von A nach B zu kommen – da bekomme ich Kopfschmerzen. Die Leute gehen mir auf die Nerven. Für mich wäre es eine extra Belastung. Ich muss leider ab und zu mal auf Urlaub, weil meine Frau mich zwingt. Im Mai machen wir den zweiten Teil der Tour und danach mache ich den so genannten Urlaub dann auch.
SCHiCK:: Was denkst du schickt sich im Rapgeschäft und was nicht? Man macht ja fast alles, jeder traut sich alles sagen und machen, aber was schickt sich deiner Meinung nach nicht?
KS: Das ist ja sehr subjektiv. Ich find es katastrophal, dass so viele Leute Rap „machen“, obwohl sie nicht mal einen Funken Talent besitzen. Das ist der schlimmste für mich, vielleicht weil ich tatsächlich schon eine emotionale Bindung zu dieser Musik habe, was andere nicht vielleicht nicht haben. Für andere ist das ein Geschäft oder ein Beruf, den sie sich ausgesucht haben, wo sich denken da lassen sich ein paar Euro verdienen. Für mich schickt es sich nicht, irgendwie schlecht zu sein und trotzdem mehr zu machen, weil man damit den Leuten auf den Geist geht und die jungen Leute, die auch diese Musik hören, damit total verwirrt und auf dem falschen Pfad führt. Was sich schickt? Für mich schickt es sich im immer, eigentlich benutze ich das Wort auch nicht so oft so sehr, aber wenn die Menschen etwas Kreatives und Krasses machen, aber auch gleichzeitig Emotionales drin haben, das ist das was mich freu. Wenn ich so tatsächlich mitgenommen werde, und ja und in irgend einer Form so emotional reingezogen werde in die Welt der jeweiligen Person, dann finde ich sehr interessant.
SCHiCK:: Letzte Frage; einer Deiner neuen Tracks, von Samy DeLuxe gefeatured, heißt ja „Wahre Liebe“. Glaubst du an wahre Liebe?
KS: Das ist Definitionssache. Die Liebe von Eltern zu ihren Kindern – stärker keine Liebe nicht sein, das ist ja das Krasseste was es gibt. Darüber hinaus natürlich glaube ich, dass es viele Formen von Liebe gibt. Es gibt auch viele verschiedene Arten seine Liebe zu leben. Der Eine macht das so, der andere macht das so. Für den Einen ist Liebe komplett besitzergreifend sein und jemanden nur für sich alleine haben zu wollen, das hat mit Liebe, meiner Meinung nach nichts zu tun. Für mich ist Liebe, tatsächlich für jemanden so viel zu empfinden, dass wenn es einen auch selber nicht betrifft und man sich für den betroffenen Menschen komplett freuen kann, und genauso glücklich ist wie der Mensch. Wenn es einem wichtig ist dass es diesem Menschen gut geht auch wenn man sich ur einmal im Jahr trifft oder alle paar Tage telefoniert. Aber wie gesagt das definiert jeder für sich selbst, was Liebe ist.
Das Konzert verlief „essah“ und die Stimmung war bei den neuen, aber besonders auch den älteren Nummern, am Siedepunkt. Auch Kool Savas war dieses Mal ganz schön beeindruckt von der vollen Eventarena und der mitreißenden Atmosphäre. Mit Wien verbindet der King nun doch etwas mehr, trauen wir uns zu schreiben, weil er auch während des Konzerts über meine Fragen unsere wundervolle Stadt betreffend, erwähnt hat. Er wird wieder kommen und uns die Wörter und die Beats um die Ohren hauen und wir werden wieder schick dabei sein – so viel ist sicher.