Speaker‘s Streetart: Catch him if you … can
Graffiti und Streetart sind schick. Spätestens seit dem Brit-Künstler Banksy sind sie nun auch für die Kunstbranche von großer Bedeutung. So erzielen seine Werke bei Auktionen mittlerweile hunderttausende Euros. Das SCHiCK-Magazin hat sich auf die Spuren des Wiener Graffiti-Artisten „SPEAKER“ begeben, der ebenfalls mit politischen und gesellschaftskritischen Botschaften auf sich aufmerksam macht.
In Wien ist es schwer, einen „echten Banksy“ zu Gesicht zu kriegen bzw. abzuknipsen. Obwohl er angeblich auch hier gesprüht haben soll. Weniger schwer ist es hingegen, einen „echten Puber“ abzulichten, der vor knapp zwei Jahren in 232 Fällen wegen Sachbeschädigung schuldig gesprochen und verhaftet wurde: Beide – nennen wir sie beide Künstler – haben mit Wien aber wenig gemein. Ganz im Gegensatz zum „SPEAKER“, den das SCHiCK-Magazin in diesem Artikel als lokale Graffiti-Größe würdigen will. Eine, die es tatsächlich verdienen würde, auch im Museum, in Galerien oder in Privatsammlungen zu hängen. Sicherlich seid ihr schon mal an einem echten „Speaker“ vorbeigegangen. Ist er euch schon mal aufgefallen? Augen auf!
„Speaker“ – er ist zwar (noch) unbekannt, aber nicht ungehört. Mit seinem Motiv der Speakerbox, einem Lautsprecher, verschafft sich der Sprayer schon seit Jahren Gehör in der Wiener Graffiti-Szene. Und bekommt es auch. Sein Lautsprecher – oftmals mit Sprechblasen versehen, die aktuelle und wichtige Botschaften verbreiten – zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die österreichische Bundeshauptstadt. Die Lautsprecherbox spiegelt perfekt das Lokalkolorit der Wiener Subkultur(en) wider. Und es ist genau das Lokalkolorit, das den Künstler so besonders macht. Was ist ein „Beidlpracker“? Was ein „Banklreisser„? Und was ein „Sandgrubenrocka“? Wer kann sich noch an den in eine Fantasiesprache übersetzten tschechischen Auszählreim „Am dam des, disemalle pres, disemalle pumperness“, den der Künstler aufgeteilt auf drei Speakerboxen nochmals erschallen lässt, erinnern? Und was überhaupt ist ein „16er-Blech“?
Letzteres bestellt und genießt man in Wien klassischerweise am Würschtlstand. Das damit beschriebene Ottakringer-Bier in der 0,5-Liter-Dose trinkt sich am besten gemeinsam mit einer „Haß’n (resp. einer „Eitrigen“), an Buckl und an Schoafn“. Auf gut hochdeutsch bedeutet das: eine Käsekrainer, ein Brotscherzerl und einen scharfen Senf. Mehr und mehr vertrieben von den Kebab-Buden, gilt der Wiener Würstlstand – ähnlich dem Wiener Heurigen – als Institution. Gerade dort wird auch in der Wiener Mundart miteinander „g’redt“ – einem Idiom, das seinesgleichen sucht.
Wandelt man auf seinen Spuren, kann man die Stadt auf eine wunderbare unkonventionelle Weise näher oder besser kennen lernen. In nahezu allen 23 Wiener Gemeindebezirken hat der Speaker seine „Tags“ hinterlassen und gilt daher als regionale, auf Wien konzentrierte Graffiti-Erscheinung. Unzählige seiner Werke hat der Künstler in den eher vernachlässigten Vierteln und Grätzln der Stadt (z.B. „Wiens Westen: Ottakring und Hernals“, „Donauinsel“, „Transdanubien“ oder der „Wiener Gürtel“) mittlerweile auf Wänden, Zügen, Brückenpfeilern, Autobahn-Auf- und -Abfahrten, in Unterführungen und Hauseingängen, an Gebäudevorsprüngen, renovierungsbedürftigen Bauten, auf Dächern, Baucontainern und Sicherungskästen hinterlassen. Man lernt mit ihm die Sprache der Wiener (das „Weanerisch“) ebenso gut kennen wie ihren „Grant“ und ihren „Schmäh“.
Mit markigen und provokanten Sprüchen wie „Wer zuerst kommt – Malt zuerst“, „Uuaarghh… wois mei 16er Blech?“, „Ihr kriegt mich nie!“ oder „Live now work later“ macht er auf sich aufmerksam und beschreibt Wien und seine Subkultur(en) somit am besten. Oft hat der Betrachter den Eindruck, dass die „Stadt“ an sich mit ihren Bewohnern und Besucherinnen spricht.
Graffiti und Streetart treten in den vergangenen Jahren deutlich vermehrt im Stadtbild auf. Selbst Menschen, die dafür eigentlich so gar keinen Blick oder Interesse haben, stechen sie durch ihre Buntheit, durch ihre Details oder durch ihre Großflächigkeit ins Auge. Fest steht, Graffitis sind nicht jedermanns Sache, und viele Wiener können mit dieser Kunstform leider gar nichts anfangen. Dennoch bietet die Stadt Wien seinen – meist – jungen Sprayern ausgewählte Wände an, auf denen sie ihre Kunst perfektionieren können: www.wienerwand.at. Nur dort dürfen die Artists sich rechtmäßig austoben, überall sonst gelten Graffitis als illegal, was für die Macher (z.B. „Puber“) sehr, sehr teuer werden kann, wenn sie erwischt werden.
Gerade diesen Kick scheinen die Künstler jedoch zu brauchen. Speziell der Speaker bzw. seine Crew geben sich nicht mit den erlaubten Wiener Wänden zufrieden. Er/sie sprüht/sprühen bevorzugt an besonders exponierten Plätzen, die entweder sehr stark befahren (z.B. entlang des Wiener Gürtels), von überall einsehbar oder aufgrund ihrer Lage sehr gefährlich sind. Laut der Facebook-Gruppe „SPEAKER’s Streetart“ wurden seine Lautsprecherboxen sogar schon in Amsterdam und Berlin gesichtet. Bitte, lieber SPEAKER, geh nicht! Bleib‘ uns Wienern erhalten!
SPEAKER’S STREETART AUF FB: www.facebook.com/SPEAKERsStreetart
WIENER WAND: www.wienerwand.at