Teheran Tabu – Fakt oder Fiktion
Teheran Tabu, das animierte Drama von Ali Soozandeh feierte am Wochenende im Rahmen der Viennale 2017 Premiere im Gartenbaukino Wien und begeisterte einen vollen, mit großen Erwartungen bepackten Saal. Verheissungsvoll schwebte eine Wolke aus Gefühlschaos, Entsetzen und Melancholie über dem Kino. SCHiCK Magazin war vor Ort.
Einen Vorgeschmack darauf welchen Erfolg diese Animation in Österreich mit sich bringen wird, konnten Freunde der Filmkunst bereits beim Viennale-Vorverkauf der Karten beobachten. Innerhalb von fünf Stunden blinkte stolz der „nur noch Restkarten Button“ auf der Startseite des Ticketverkaufs. Die einzige Möglichkeit diese Ausstrahlung in Originalsprache nicht zu verpassen, war es 30 Minuten vor Beginn beim Empfang zu sein. Motivation bot noch zusätzlich die Aussage einer Kassiererin vor Ort auf die Frage hin „Welcher Film wird denn Heute gespielt?“ „Teheran Tabu – eines unserer bisher erfolgreichsten und bestbesuchtesten Filme im Rahmen der Viennale.“ Gedreht im Rotoskopie-Verfahren mit echten SchauspielerInnen, um gewisse Szenen zu entschärfen, darf sich Gast auf ein Kinoerlebnis der ganz besonderen Art einstellen.
Endlich den Schlüssel zum Film in der Hand, muss Gast sich nur noch durch die Massen kämpfen, um einen der besten Plätze zu ergattern. Vorhang auf.
Teherans Skyline flackert über die Leinwand, dessen Antlitz für viele Exil-Iraner etwas fremd erscheinen muss. Der Milad Tower, die Augen und Ohren der Millionenmetropole thront erst seit seinem Bau 2003-2006 über der Stadt. Diese Geschichte ist weder Märchen noch Schmäh von gestern. Das Setting ist angesetzt im Teheran des 21. Jahrhunderts und dem Mindset des Mittelalters. Das Schicksal von drei Frauen in verschiedenen Lebenslagen und einem Studenten spinnt sich durch den Handlungsablauf. Sie sind die Sklaven einer zwiegespaltenen Gesellschaft, dessen Ketten nur gesprängt werden können mit einem Opfer an eine dem Menschen scheinbar, übergeordnete metaphysische Macht.
Pari (Elmira Rafizadeh) versucht endlich von ihrem im Gefängnis sitzenden und drogenabhängigen Mann loszukommen. Selbst gefangen im von Männern dominierten System, fehlt ihr zur Scheidung die Unterschrift ihres Ehegatten, der es ihr jedoch verweigert. Um ihren stummen Sohn Elias durchzubringen, bleibt Pari nur noch der Weg in die Prostitution. Ein Tabu, das sehr wohl in diesem konservativen Land praktiziert wird, jedoch hinter vorgehaltenen Händen – verkleidet und schön geredet entgegen jeglicher Moral.
Elias (Bilal Basar), der sich zunächst wie ein Gespenst seinen Weg durch den Film bahnt entpuppt sich als die eigentliche Hauptfigur dieses Dramas, der das Schicksal dieser Personen miteinander verbindet. Was er sich wünscht ist Stetigkeit und eine glückliche Familie oder, wenn man es symbolisch ausdrücken möchte, die Sicherheit der Katzenmutter und dessen Jungen. Das melancholische Gesichtchen kann auch anders, wenn gerade keiner hinschaut, da reicht auch schon ein mit Wasser gefülltes Kondom, das vom Dachgeschoss fallen gelassen wird.
Sara (Zahra Amir Ebrahimi), die schwangere Literatur-Lehrerin kann ihrem Schicksal nur noch Mutter und Schwiegertochter zu sein, nicht entkommen. Nicht wegen des Geldes wegen möchte sie arbeiten, sondern aufgrund ihrer Liebe zu ihrem Beruf. Ihrem Mann ist dieser Wunsch jedoch ein Dorn im Auge, denn er verdient als Financier genug, um die ganze Familie zu erhalten.
Babak (Arash Morandi) , der verträumte Musikstudent zeigt, dass nicht nur Frauen sondern auch die Jugend diesem korrupten Chaos hilflos ausgeliefert ist. Auf einer geheimen Party, wo er seine Seele in Form seiner Musik baumeln lässt, lehrt ihn sein Freund und Mentor Amir (Morteza Tavakoli), dass seine Träumereien keinen festen Boden haben. Unter Drogen und Alkoholeinfluss „entjungfert“ er Donja, die hübsche Perserin, dessen brutaler Verlobter sich in 8 Tagen auf eine reine Hochzeitsnacht mit ihr eingestellt hat.
Donja, stellt Babak ein Ultimatum, entweder zahlt er ihr die Operation zur Wiederherstellung ihres Jungfernhäutchens oder sie sind beide verloren.
Hier beginnt nun die eigentliche Geschichte. Der junge Student kann sich den Eingriff nicht leisten und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Korruption, Machtspielchen, falsche Demut, Perversion und für westliche Vorstellungen unglaubliche Vorgänge bestreiten unverhohlen ihren Tanz hinter einer Gesellschaft, die blind alles sieht.
Typisch persisch ist auch die stark hervorgehobene Inszenierung der Symbolik in diesem Drama. Frei wie ein Vogel möchte man sein, doch kann man das im eigenen Heimatland noch? Das Flugzeug ins Ausland ist der einzige Ausweg? Europa oder doch ins Nachbarland? Kann man etwas verändern in Form von Bildung? Diese und andere Fragen überkreuzen sich vor dem geistigen Auge der Zuschauer.
Tränen, Trauer und Entsetzen breitet sich beim Abspann des Filmes aus. Wären die Lichter sofort angegangen, könnte man die Gesichter im Vergleich zu vorher nicht mehr wiederkennen. Ist alles Fakt oder Fiktion? Es hat sich ein bunt gemischtes Bild aus Erinnerungen an eine Welt, die man hinter sich gelassen hat, die jedoch immer noch omnipräsent ist und fragenden Gesichter von nicht Persern oder Zuschauern, die per Zufall auf den Film gestoßen sind, gebildet.
Um Verwirrungen aufzulösen beantwortet der Regisseur und Autor Ali Soozandeh am Ende persönlich die Anliegen der Zuschauer. Auf die Frage hin, ob dieser Film in Zukunft Konsequenzen für die Mitwirkenden hat in Bezug auf den Iran, antwortet er, dass es sich zeigen wird. Über eines scheint man jedoch ziemlich einstimmig zu sein – der Fakt, dass ihm ein Meisterwerk gelungen ist.
Neugierig geworden? Am 30.November läuft der Film in den Kino an und meiner Meinung nach ein Muss für alle „Persepolis“ und „Die letzten Glühwürmchen“ Fans.
TEHERAN TABU
Kinostart: 30. November 2017
FACEBOOK: www.facebook.com/teherantabu/
WEBSITE: www.littledream-entertainment.com/filme/teheran-tabu
LAUFZEIT 96min
REGIE & Drehbuch Ali Soozandeh
Produzenten Frank Geiger, Ali Samadi Ahadi, Mark Fencer & Armin Hofmann
O-TON Persisch
FSK ab 16 Jahren
GENRES Animation, Drama
Darsteller: Arash Marandi, Alireza Bayram, Zahra Amir Ebrahimi, Jasmina Ali, Adem Karaduman, Elmira Rafizadeh, Bilal Basar, Roxana Rahnama, Morteza Tavakoli